Vorhabenbeschreibung endlich öffentlich
Nun sind nach langer Zeit auch den SteuerzahlerInnen, die die 15 Mio. EUR Kosten tragen müssen, die Inhalte des Forschungsvorhabens zu den Entsorgungsoptionen für radioaktive Abfallstoffe bekannt gemacht worden. Prof. Dr. Clemens Walther hat endlagerdialog.de in einer Email vom 19.09.2013 mit Bezug auf den Antrag zur Akteneinsicht beim BMBF darauf aufmerksam gemacht. Bisher wurde im Wesentlichen auf das im Wahlkampf zur Landtagswahl entstandene 2-Seiten-Pamphlet verwiesen.
Nur Adressen aktualisiert, Mitarbeiter anonymisiert?
Angeblich wurden in der ursprünglich dem BMBF vorgelegten Vorhabenbeschreibung lediglich
Adressen aktualisiert, Mitarbeiter anonymisiert (bis auf Projektleiter), aus Datenschutzgründen, Tabellen der Mittelverteilungen entfernt, da diese Rückschlüsse auf individuelle Eingruppierungen zulassen würden.
Diese Arbeiten haben neun Monate in Anspruch genommen, obwohl die Außenkommunikation gegenüber der interessierenden Öffentlichkeit als Themenkreis explizit benannt wird (S. 23). Skepsis ist angesagt, da sich das nicht nachvollziehen lässt. Denn auf die sonst übliche Schwärzungstechnik wurde verzichtet.
Formale Mängel
Eine oberflächliche formale Durchsicht zeigt sofort Nachbesserungsbedarf. So wird auf Literatur verwiesen, ohne diese zu nennen. Es fehlen zum Beispiel die bibliografischen Angaben zu
- Ney 2009;
- Balint, Stewart, Desai, Walters 2011;
- Tsebelis 2002;
- Snow & Bedford 1988;
- Sabatier & Jenkins-Smith 1988;
- Baumgartner & Jones 1993.
Entweder ist das nicht die Vorhabenbeschreibung, die dem BMBF vorgelegt wurde, oder das BMBF hat wegen des tobenden Niedersachsen-Wahlkampfs auf eine sorgfältige Prüfung verzichtet.
Keine Erwähnung der bisherigen Studien mit gleicher Themenstellung
Bezeichnend ist, dass die bisherigen deutschen Studien zu einer vergleichenden Prüfung der Entsorgungsoptionen wie zum Beispiel
- Closs, K. D.(1980). Vergleich der verschiedenen Entsorgungsalternativen und Beurteilung ihrer Realisierbarkeit – Studie „Entsorgungsalternativen“;
- Appel, D., J. Kreusch, et al.(2001). Vergleichende Bewertung von Entsorgungsoptionen für radioaktive Abfälle.
an keiner Stelle erwähnt werden. Wurde vom BMBF darauf verzichtet zu prüfen, ob die gleiche Themenstellung nicht schon behandelt wurde?
Transdisziplinarität?
Das Neue an der Studie könnte die Interdisziplinarität sein. Ja es soll sogar transdisziplinär geforscht werden. Siehe zum Beispiel auf Seite 8, 19 und 25. Für solch eine Methodik ist die interne Kommunikation die wesentliche Stütze. Doch die Ausführungen unter 2.6.2 Kommunikation (S. 28 f) dazu fällt äußerst mager aus. Insbesondere fehlen entwickelte Instrumente, um die interne Kommunikation und damit Transdisziplinarität effektiv zu gestalten.
Die Problematisierung der subjektiven Stochastik
Positiv herauszuheben ist der auf Seite 27 angesprochene Punkt (Hervorhebung durch endlagerdialog.de):
Es ergibt sich eine Reihe übergreifender/integrativer Fragestellungen, die letztlich durch die Gesellschaft beantwortet werden müssen. Im Rahmen der beantragten Plattform sollen Beiträge geleistet werden, die eine solche gesellschaftliche Klärung hinsichtlich der nachfolgend aufgeführten Fragen unterstützen.
– Wie sollen die Abfälle künftig gelagert werden (zentral oder dezentral, über oder unter Tage, rückholbar oder nicht etc.)? Die Plattform wird Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen aufzeigen und diskutieren, die sich aus den einzelnen Optionen ergeben.
Offensichtlich soll in dem Forschungsprojekt auch die Strategie der Diversifizierung durch eine dezentrale Langzeitlagerung betrachtet werden. Damit würde der Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Stochastik im Sinne von De Finetti (1990) endlich Rechnung getragen werden, wie sie schon in den Beiträgen “Kernproblem der Endlagersuche ….. : Was heißt „sicher“?” und Vorbild: Das Schwedische Modell der Endlagersuche sowie Verwendete Grenzwerte und deren Beliebigkeit erwähnt wurde. Siehe dazu auch Schurz (2006) Seite 101.
Kritische Evaluation der AVV
Interessant erscheint auch der Ansatz Kritische Evaluation der AVV zu § 47 StrlSchV (S. 52). Jedoch gehen die landläufigen Dosiskonversionsfaktoren wie zum Beispiel von der GSF nicht von einer Einleitung in den Vorfluter aus. Sicherlich sollten die GSF-Ansätze diskutiert werden. Denen liegt ja lediglich die derzeitige konventionelle Landwirtschaft unter deutschen klimatischen Bedingungen zugrunde. Es fehlen die biologische Wirtschaftsweise mit Kreislaufanteilen, die Kreislaufteichwirtschaft und die Nutzung von Waldfrüchten etc.
Warum nicht Toxizitätsindex und andere Größen als Minimierungsindikatoren?
Interessanter erscheint da der Ansatz des Toxizitätsindex nach Kirchner (1990). Die im ENTRIA-Projekt verfolgte Evaluation zu den Dosiskonversionsfaktoren geht immer noch fälschlicherweise davon aus, dass die Dosis auch bei Langzeitlagerung berechnet werden kann und die Dosisbegrenzung eine wesentliche Rolle spielt. Dies ist nicht so.
Dosisbegrenzung ist die falsche Strategie
Das Strahlenschutzprinzip der Dosisbegrenzung ist bei Langzeitlagern nicht anwendbar. Allein die Strahlenschutzprinzipien Rechtfertigung und Minimierung sind einsetzbar. Es stellt sich dann die Frage, welche Größen als Minimierungsindikatoren dienen können. Neben dem oben genannten Toxizitätsindex sind eine Fülle weiterer Indikatoren in der Literatur erwähnt wie zum Beispiel in 1 bis 6 und in dieser Weise zu diskutieren.
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De Finetti (1990): De Finetti, B.(1990). Theory of Probability – A critical introductory treatment.
Kirchner (1990): Kirchner, G. (1990). „A New Hazard Index for the Determination of Risk Potentials of Disposed Radioactive Wastes.“ in: Journal of Environmental Radioactivity 11: 71-95.
Schurz (2006): Schurz, G.(2006). Einführung in die Wissenschaftstheorie.
1 Becker, D.-A., et al., Testing of safety and performance indicators (SPIN).
2003: European Commission.
2 Smith, C.F., J.J. Cohen, and T.E. McKone, A Hazard Index for Underground
Toxic Material. 1980. UCRL-52889. S. 3-10
3 Smith, C.F., J.J. Cohen, and T.E. McKone, A Hazard Index for Underground
Toxic Material. 1980. UCRL-52889.S. A-3 bis A-45
4 Pieper, et al., Vergleich Untertagedeponie – Endlager; Vergleichende
Untersuchungen zu Gefährdungspotential, Deponiesicherheit und regulatorischen
Anforderungen bei der Endlagerung radioaktiver und chemotoxischer Abfälle.
Schriftenreihe Reaktorsicherheit und Strahlenschutz. Vol. BMU-2002-599. 2002. S.
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5 Kemakta Konsult AB, et al., Sicherheitsindikatoren zur Bewertung der
Langzeitsicherheit von Endlagern für radioaktive Abfälle. 2004.
6 Liljenzin, J.-O. and J. Rydberg, Risks from Nuclear Waste. Vol. 96:70. 1996:
Swedish Nuclear Power Inspectorate (SKI).