Zum Start der parlamentarischen Beratung
Zum Start der parlamentarischen Beratung des Deutschen Bundestages zum Bericht der Endlagerkommission und Novellierung des StandAGs wurde ein Fachgespräch des Umweltausschusses mit den ehemaligen Mitgliedern der Kommission veranstaltet. Zu unterscheiden waren zwei Punkte: erstens die nochmalige Darstellung der Arbeitsergebnisse der Kommission und zweitens die Auswertung der Online-Konsultation zum Abschlussbericht.
Die Oberflächlichkeit der parlamentarischen Arbeit
Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass die parlamentarische Sommerpause den Bundestagsabgeordneten genug Zeit bot, sich den Abschlussbericht anzusehen. Trotzdem wurde im Schnelldurchlauf die Arbeit der Kommission aus der sehr subjektiv gefärbten Sicht der Kommissionsmitglieder vorgetragen. Befremdlich war es, dass die Ausschussvorsitzende durchgehend die alte Bezeichnung des BfE benutzte, obwohl die entsprechende Drucksache 18/8913 auch im Umweltausschuss war, und neben der Änderung der Bezeichnung im Gesetz dies darin sogar begründet wurde (Seite 22):
Das BfE erhält die Bezeichnung Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, um dessen Aufgabenbereich eindeutig jetzt auch gegenüber der neuen Bundesgesellschaft abzugrenzen.
Für den interessierten Zuhörer zeugte das von einer gewissen Oberflächlichkeit, die bei der Endlagerung von radioaktiven Abfällen in tiefen geologischen Schichten nicht angebracht ist.
Neuland und Novum?
Frau Heinen-Esser betonte, dass mit der Öffentlichkeitsbeteiligung die Kommission Neuland betreten habe. Dies ist ihre persönliche Wahrnehmung. Fakt ist, dass wesentliche Konzepte bereits vom AkEnd in seinen Empfehlungen aus dem Jahr 2002 vorgetragen wurden. Diese Empfehlungen gingen auf die Erfahrungen bei Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren zur Sanierung von Bodenaltlasten zurück. Diese etwa zwei Jahrzehnte zurückliegenden Verfahren als Neuland zu bezeichnen, spricht schon Bände. Interessant war die Begründung für die lange Beratungszeit der Kommission. Frau Heinen-Esser betonte, dass diese Kommission ein Novum gewesen sei, da die Bundespolitiker und die Vertreter der Länder in diesem Gremium kein Stimmrecht gehabt hätten. Dadurch hätte es Anlaufschwierigkeiten gegeben. Richtig ist aber, dass die Abstimmungen während fast der gesamten Arbeitszeit der Kommission unter Einbeziehung auch dieser Mitglieder stattfanden. Lediglich die Endabstimmung erfolgte in der vom StandAG vorgesehenen Form.
Der Müllersche Bogen
Herr Müller spannte wieder seinen weiten Bogen vom konkreten Endlagerproblem zu Sozialwissenschaften und Philosophie. Dieser Müller-Bogen aus Technikfolgenabschätzung und Nachhaltigkeit prägt den Abschlussbericht in seinem Umfang erheblich, ohne dass näher liegende Grundlagen wie Strahlenschutz und wissenschaftshistorische und wissenschaftssoziologische Betrachtungen der Geologie und damit Verlässlichkeit geologischer Aussagen Platz gefunden hätten. Er sah aber dann doch ein, dass diese seine Ansätze nicht vom Umweltausschuss weiter umgesetzt werden könnten.
Gesetzgebungsverfahren in Abstimmung von Bundestag und Bundesrat
Zum weiteren Gesetzgebungsverfahren bemerkte Herr Wenzel und andere, dass eine intensive Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesrat ratsam wäre, um eine zügige Verabschiedung vor der Bundestagswahl 2017 zu erreichen.
BMUB liefert noch in diesem Jahr Entwurfstexte
Der Vertreter des BMUB stellte noch im Jahr 2016 Entwurfstexte in Aussicht. Ob die Novellierung über einen Regierungsentwurf laufen wird, steht noch nicht fest. In Aussicht gestellt wurde die Benennung von drei Zufallsbürgern für das Nationale Begleitgremium bis Anfang November. Bereits zum 01.10. 2016 wird die Geschäftsstelle dieses Gremiums beim BMUB eingerichtet. Zur Veränderungssperre Gorleben, die bis zum 31.03.2017 befristet ist, wurde seitens des BMUB ausgeführt, dass eine Bestandsaufnahme bei den Ländern läuft, welche Vorhaben eine Endlagersuche gefährden könnten.
Die drei Gesteinsarten
Nach dem Plädoyer vom Vertreter des BUND e.V., Herrn Brunsmeier, alle drei Gesteinsarten Salz, Ton und Kristallin auch untertägig zu untersuchen (Phase 3), und einer Nachfrage von Herrn Kühn zur Weißen Landkarte, machte Herr Sailer eine erstaunliche Äußerung. Er stellte dar, dass in der Kommission darüber diskutiert wurde, ob Standorte aller drei Gesteinsarten nach dem ersten Auswahlschritt übrig bleiben sollten. Dies sei aber so nicht im Abschlussbericht festgelegt. Die von Herrn Sailer erwähnte Diskussion in der Kommission oder AG 3 muss geheim stattgefunden haben, denn in den öffentlichen Sitzungen war davon nichts zu hören. So wurde die dafür einschlägige Stellungnahme AK1-8 aus der Fachtagung nach Wahrnehmung von endlagerdialog.de nicht öffentlich beraten. Aber immerhin: Damit bewegt sich Herr Sailer auf den Kompromissvorschlag aus Gartow aus dem Jahr 2012 zu.
Online-Konsultation mit Öffentlichkeitsbeteiligung gleichgesetzt
Immer wieder wurde in der Ausschusssitzung die Online-Konsultation als Öffentlichkeitsbeteiligung deklariert. Herr Wenzel wies dann darauf hin, dass selbst nach bisherigen Vorstellungen Öffentlichkeitsbeteiligung gewisse Qualitäten zu erfüllen hätte wie zum Beispiel bei Planfeststellungsverfahren, um nicht als Pseudobeteiligung eingestuft zu werden. Die Online-Konsultation kann nur ein kleiner Baustein einer Beteiligung sein. Das ging auch aus dem Beitrag von DEMOS hervor, die als Beteiligungsmanager die Kommission und auch die Online-Konsultation begleitet hat. Die dazu verteilten Ausschussunterlagen sind zu finden auf BT> Ausschüsse> Umweltausschuss> Öffentliche Anhörungen. Von den gerade einmal 250 Personen, die sich registriert haben, haben 111 aktiv teilgenommen. Gerade einmal 75 TeilnehmerInnen haben auf endlagerbericht.de Kommentare veröffentlicht. Die meisten Kommentare gab es zum Teil A: Zusammenfassung. Sind die Teilnehmer hier hängen geblieben, obwohl der Teil B eigentlich inhaltlich zu kommentieren war? Ein weiterer Schwerpunkt lag beim Kapitel B 6.5: Entscheidungskriterien. Dies ist ein Hinweis, dass sich vorwiegend die Fachöffentlichkeit beteiligt hat. Vertreten waren zumindest die Institutionen BMUB, DBE, GRS, GFZ, BGR, KIT, RWTH und IELF als Einzelpersonen. Solch eine Beteiligung ist neu bei der Endlagerproblematik. Weder bei der Onlinediskussion zu den Sicherheitsanforderungen noch beim Gorlebendialog (Dialog ist nicht mehr im Internet verfügbar, wurde inklusive Literaturdatenbank einfach getilgt. Lediglich ein Video ist noch abrufbar.) haben sich MitarbeiterInnen von Endlagerinstitutionen offen beteiligt. Sollte sich hier etwa eine pluralistische scientific community gesammelt haben? Waren in der Kommission vielleicht zu wenig WissenschaftlerInnen vertreten, da Juristen ihre Posten besetzten?
Identifikation von Clustern nicht wirklich gelungen
DEMOS hat im Auftrag des Umweltausschusses versucht, aus den 864 Kommentaren zusammenfassende Diskussionscluster herauszufiltern. Dies war dann doch als Auswertungsstrategie nicht zielführend. Die Frage an die ehemaligen Kommissionsmitglieder, ob aus ihrer Sicht etwas Neues vorgebracht wurde, wurde eher verneint. So hat Herr Sailer angeführt, dass den Teilnehmern der Überblick gefehlt habe, da sie nicht den ganzen Bericht gelesen hätten. Herr Kleemann betonte, dass er kein neues Argument gesehen hätte und alles in den Diskussionen behandelt worden wäre. Da hat Herr Kleemann wohl den Überblick verloren, wenn er selbst in einem ZDF-heute -Beitrag das Prinzip der Diversität fordert, ohne dass dazu weder in der Kommission noch in der AG 3 eine Diskussion geführt wurde und obwohl dies in dem Online-Kommentar ID 1001 zur Fachtagung vorgetragen wurde. endlagerdialog.de hat dies nochmals als Kommentar und Fortsetzung Kommentar auf endlagerbericht.de eingebracht.
KommentatorInnen noch einmal anhören – und das BFE?
Herr Fischer dagegen wollte die Kommentare aus der Online-Konsultation nicht einfach vom Tisch wischen. Er plädierte – wie einige nach ihm – dafür, die Kommentare umzusetzen und die KommentatorInnen noch einmal anzuhören. Von DEMOS wurde betont, dass diese jedenfalls über die angegebenen Emailadressen prinzipiell erreichbar wären. Zu spüren war, dass weder die nicht mehr existierende Kommission noch der Umweltausschuss dies leisten will. Leider wurde aber von keiner Seite aufgezeigt, dass es eine für Öffentlichkeitsarbeit und Öffentlichkeitsbeteiligung zuständige Bundesoberbehörde existiert, das BfE. Der Vertreter dieser Behörde glänzte damit, dass er ein Großteil der Sitzungszeit sich nicht im Saal aufhielt. Erinnert sei, dass nach § 9 Abs. 1 StandAG in Verbindung mit Abs. 2 Ziffer 1 das BfE verpflichtet ist, zumindest zu den Vorschlägen für die Entscheidungsgrundlagen ein fundiertes öffentliches Verfahren durchzuführen und zu dokumentieren.
Chance für unsere Demokratie
Herr Müller machte eingangs eine nachdenkenswerte Äußerung, dass ein solch komplexes Problem wie Endlagerung radioaktiver Abfälle nur in einer Demokratie lösbar wäre. Es stelle sich die Frage, ob diese Demokratie das Endlagerproblem auch wirklich löse. Sein Ansatz, Gorleben bei der Suche auszuklammern, greift wohl sehr kurz. Aussichtsreicher stellt sich die im Schlusswort der Ausschussvorsitzenden zu findende Formulierung dar, der Umweltausschuss werde die verschiedensten Eingaben – auch die der sich der Kommission verweigernden Gorlebeninitiativen – einbeziehen. Vielleicht erinnert sich dann jemand an die im Jahr 2012 aufgezeigten Kompromisslinien, siehe Der zweite fatale Gorleben-Fehler. Ob sich diese Kompromisslinien heute – vier Jahre danach – noch unverändert als tragfähig erweisen könnten, ist eher unwahrscheinlich. Denn vier Jahre lang wurde weiter Vertrauen vernichtet. Nicht zuletzt mit der moralisch klingenden und wohl so auch gemeinten Anmerkung, dass die praktizierte Verweigerung der Verantwortung nicht gerecht werden würde, die auch die Gorlebeninitiativen zu tragen hätten.
Endlagerbericht – Endlaberbericht
Zu hoffen ist, dass der Endlagerbericht nicht – wie in einem Freudschen vorgezeichnet – als Endlaberbericht abgeheftet werden muss.
Videoaufzeichnung jetzt verfügbar
Die Videoaufzeichnung der Sitzung des Umweltausschusses vom 28.09.2016 ist seit heute in der Mediathek unter http://dbtg.tv/cvid/7010090 verfügbar.
Wie beim Bundestag üblich verwirrt der abgebildete Zeitstempel. Es ist nicht die Aufnahmezeit, sondern die Zeit der Abspielung im Parlamentsfernsehen. Es war geplant, das Video am 29.09.2016 im Kanal 2 ab 17 Uhr abzuspielen. Dies wurde dann auf 18 Uhr verschoben. Die Aufzeichnung trägt also den Zeitspempel 18:00 bis 20:53. Die Sitzung lief von 11:38 bis 14:31.