Das dicke Ende von ENTRIA

Abschlussbericht liegt jetzt vor

Gut sechs Jahre nach dem Start des Forschungsprojekts ENTRIA liegt jetzt der Abschlussbericht vor. Das Forschungsprojekt lief vom 01.01.2013 bis 30.06.2018 – der erste Beitrag darüber auf endlagerdialog.de stammt vom 04.12.2012. Mit gut achthundert Seiten liegt – wenn man den Bericht ausdruckt – ein dicker Wälzer vor einem, der kaum zum Lesen animiert. Dieser Abschlussbericht übertrifft damit sogar den Abschlussbericht der Endlagerkommission um fast zweihundert Seiten.

Die Lesemotivation

Wie nähert man sich einem solchen Mammutwerk? Ein Weg ist die Betrachtung der Abbildungen, leicht zu bewerkstelligen mit den Seitenminiaturen im Acrobat Reader. Einige Bereiche sind verständlicherweise bilderlos, aber die gezeigten Bilder sind nicht die Altbekannten und machen neugierig. Vielleicht sollte man das Werk doch partiell lesen? Das ausführliche Inhaltsverzeichnis gibt entsprechende Orientierung.

Aus- und Weiterbildung

Da ein wesentliches Ziel von ENTRIA nach Meinung von endlagerdialog.de das Heranführen von NachwuchswissenschaftlerInnen an das Problem der Endlagerung war, bietet sich das Kapitel 6 Aus- und Weiterbildung an. Hierin wird klar, dass ENTRIA in diesem Bereich durchaus Erfolge verzeichnen kann, erwähnenswert sind zum Beispiel Sommerschule für Promovierende der Geographie und Politikwissenschaften der Universität Kassel, FU Berlin, Universität Wien und Studienangebot der Forschungsplattform ENTRIA im Rahmen des Masterstudiengangs Umweltrecht, Universität Kassel. Da die ENTRIA-Arbeiten vielfach interdisziplinär angelegt waren, kann nur die bereits im GAiA-Artikel Ein Streifen am Horizont – interdisziplinäre Beiträge zur Endlagersuche gemachte Einschätzung unterstrichen werden.

An mehreren Stellen wird sogar der Schritt zur Transdisziplinarität in Aussicht gestellt. Dies ist umso erfreulicher, da das Verbundprojekt viele junge Wissenschaftler(innen) einbezogen hat. Es besteht die Hoffnung, dass diese Herangehensweise bei der Endlagerfrage und darüber hinaus bei anderen komplexen Problemen in Zukunft eine Chance hat.

Aber Promotion eher disziplinär

In Kapitel 6.3 Promotionsvorhaben zeigt sich aber die Schwierigkeit:

Insbesondere auf disziplinärer Ebene wurden im Rahmen des ENTRIA-Verbundes eine Vielzahl von Qualifikationsarbeiten angefertigt.

Promotionen sind in der Regel im aktuellen Wissenschaftssystem nur disziplinär möglich.

Gescheitertes Glossar fehlt

Folgt man dem Pfad der Interdisziplinarität, so sollte man auch etwas über ein gemeinsames Glossar erfahren. Die Stichwortsuche führt aber nicht zum gewünschten Ergebnis. Das Scheitern des Vorhabens Glossar hätte im Abschlussbericht erwähnt werden sollen – siehe Beitrag ENTRIA – Der Anfang ist gemacht, zweiter Absatz.

Wissenschaftstheoretische Flankierung

Neugierig wird man auf Seite 42, wo von der wissenschaftstheoretischen Flankierung des ENTRIA-Projekts gesprochen wird. Verwiesen wird auf das Buch Inter- und Transdisziplinarität bei der Entsorgung radioaktiver Reststoffe, das leider nicht kostenlos verfügbar ist. endlagerdialog.de wird das Geld opfern und demnächst über den Lesegenuss oder die Fehlinvestition berichten.

Nichtwissen – von Schweden lernen

Bemerkenswert sind auch die zahlreichen Erwähnungen der Begriffe Nichtwissen und Ungewissheiten. Richtig wird betont, dass zu Gelingensbedingungen der Endlagerung öffentliche Reflexion über und Umgang mit Nichtwissen gehört (S. 213). Hier gilt es offensichtlich von Schweden zu lernen, siehe Der Umgang mit Nicht-Wissen in Schweden (S. 348 bis 352).

Weiterentwicklung gegenüber GRS-247

Der ENTRIA-Abschlussbericht unterscheidet sich damit wohltuend von dem umfassenden Werk Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in Deutschland, 2008 (Hauptband GRS-247, aber wo sind die 22 Anhänge geblieben?) und bringt das Problemfeld Endlagerung ein gutes Stück voran.

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