Aus Fehlern lernen – Kriterien für befasste Institutionen

mix_logoKriterien für befasste Institutionen

Ein interessanter Aspekt findet sich im Entwurf des Arbeitsprogramms der AG 3 – Kriterien der Endlagerkommission:

 9. Neue, in den bisherigen Überlegungen zur Entsorgung nicht oder kaum beachtete Kriterien müssen untersucht werden. Hierzu gehören nach gegenwärtigem Verständnis insbesondere Kriterien für eine zielführende Ausgestaltung der mit Entsorgungsfragen befassten Institutionen (lernende Institutionen, reflexive Institutionen, offene Institutionen …)

Nach Punkt 10 des Arbeitsprogramms spielt dies eine wesentliche Rolle bei der Aufarbeitung der Fehler bisheriger Endlagerprojekte. Diese wurden immer wieder gekennzeichnet durch das sture Festhalten an getroffenen Entscheidungen, die meist parteipolitischer Natur waren und die alle beteiligten Institutionen zu einer gemeinsamen Sprachregelung zwangen.

Ein ähnlicher Ansatz in einer Studie aus dem Jahr 2010

Ein ähnlicher Ansatz findet sich in der Studie Behandlung sozialwissenschaftlicher Aspekte im Safety Case, die bereits in den Beiträgen Das Endlagerproblem und die WissenschaftlerInnen und Endlagerforschung mit Steuermitteln finanziert erwähnt wurde. Anbei drei exemplarische Textstellen aus dieser Studie aus dem Jahr 2010:

Seite 74, letzter Absatz

Die verhaltenwissenschaftlichen Erkenntnisse und Aspekte kommen zum Tragen im Bereich der Organisation-Umweltbeziehung (z. B. durch eine offene und transparente Unternehmensstrategie, Ansprache von Stakeholdern), im Bereich der Arbeitsorganisation (z. B. durch eine angemessene interne Kommunikationsstruktur), im Bereich der Personalentwicklung (z. B. durch Angebote von Training und Weiterbildung der MitarbeiterInnen) sowie im Bereich der Organisationsentwicklung und –veränderung (z. B. durch einen Wandel der Organisationskultur, Transition Management).

Seite 102, zweiter Absatz

Wichtige Faktoren für Aufbau und die Einbindung in eine starke Sicherheitskultur beispielsweise sind Teamfähigkeit und eine kritisch hinterfragende Einstellung. Beide Faktoren tragen zu fundierten Entscheidungen bei, die mögliche Risiken einerseits wahrnehmen, einordnen und bewerten sowie andererseits angemessen berücksichtigen können.

Seite 102, letzter Absatz

Disziplinäre und interdisziplinäre Diskurse unterstützen eine kontinuierliche Reflexion des Arbeitsfortschritts unter Einbeziehung unterschiedlicher Sichtweisen und Meinungen. Neben dem betriebsinternen Diskurs ist der Austausch mit dem wissenschaftlichen Umfeld ein wichtiger Beitrag zur Absicherung von Methoden, Entwicklungen und der Umsetzung von Forschungsergebnissen.

Wie sieht es hinsichtlich dieser Ansätze in den bisher mit Endlagerung befassten Institutionen aus?

Das Beispiel der BGR

Im Folgenden ein öffentliches Statement eines ehemaligen BGR-Mitarbeiters vom Dezember 2014, der sich insbesondere mit Untersuchungen der Kohlenwasserstoffvorkommen im Salzstock Gorleben befasst hat und an der Studie Empfehlungen der BGR zur Berücksichtigung der Kohlenwasserstoff-Vorkommen im Hauptsalz des Salzstockes Gorleben.. beteiligt war, siehe auch Kolloquium Kohlenwasserstoffvorkommen im Salzstock Gorleben.

…ich bin Chemiker und war bis Ende letzten Jahres an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beschäftigt. Ich habe an dieser Studie mitgewirkt und stehe für Fragen gerne zur Verfügung. Auch habe ich die Beprobung in Gorleben (ich war teilweise unter Tage) durchgeführt und habe mit wissenschaftlichen Experimenten dazu beigetragen.

Um es kurz zusammenzufassen: Niemand weiß, wo sich im Salzstock Gorleben wieviel Kohlenwasserstoffe befinden. Die Untersuchungen ergaben starke Schwankungen des Kohlenwasserstoffgehaltes, waren statistisch aber nicht ausreichend. Schon bei der Probebohrung Gorleben 5001 sind 5000 Liter „Kondensat“ (vermutlich ein falscher Begriff, gemeint ist Öl) zugetreten. Man muß also damit rechnen, daß sich im Salzstock Gorleben größere Ölvorkommen befinden. Meine Experimente haben ergeben, daß Gorleben-Salz ein ausgezeichneter Cracking-Katalysator für Kohlenwasserstoffe ist. In einem Experiment wurde n-Octan als Modell-Kohlenwasserstoff verwendet. Wir ein Gorleben-Salz mit einer BET-Oberfläche von 30 m2/g als Katalysator verwendet, ergibt sich ein Umsatz zu 100 % zu Methan. Hiermit verachtfacht sich die Molzahl, außerdem ist Methan unter Normalbedigungen gasförmig und n-Octan flüssig. Mit einem starken Druckaufbau muß also unter Einlagerungsbedingungen gerechnet werden. Zudem konnte ich die Partialoxidation von Kohlenwasserstoffen z.B. zu Ketonen, die Totaloxidation von Kohlenwasserstoffen zu Kohlenstoffdioxid (ergibt mit Wasser Kohlensäure, die z.B. Stahl angreift – es gibt Wasser im Salzstock, einen Laugeneimer habe ich selbst unter Tage gesehen) und die Halogenierung von Kohlenwaserstoffen nachweisen. Das ist naheliegend, da der Salzstock Gorleben im Einlagerungsbereich zu ca. 95 % aus NaCl besteht, was ein Halogenierungsmittel darstellt. Halogenierte Kohlenwasserstoffe sind oft sehr giftig, wie z.B. DDT oder Seveso-Dioxin, die ich jedoch nicht nachweisen konnte. Jedoch können sie entstehen.

Weiterhin muß die Thermochemische Sulfatreduktion beachtet werden. Hierbei reagiert Calcium-Sulfat (CaSO4) mit Kohlenwasserstoffen. Die Kohlenwasserstoffe werden dabei partiell (Aldehyde, Ketone, Oxirane, Carbonsäuren, usw.) oder total (zu Kohlenstoffdioxid und Wasser) oxidiert und das Sulfat (SO42-) wird zu Schwefel-organischen Verbindungen wie Thiolen o.ä, zu Schwefelwasserstoff (hoch giftig) oder zu Schwefel reduziert. Etwa 5 % des Materials im Einlagerungsbereich sind Calcium-Sulfat.

Die an der BGR zur Verfügung stehende Analytik ist unzureichend, um die komplexen chemischen Reaktionen zu erfassen. Es stand nur ein Gaschromatograph mit Flammenionisationsdetektor und mit SCD-Sensor zur Verfügung. Verbindungen, die man finden will, müssen vorher in dieses Gerät einkalibriert werden, nicht kalibrierte Verbindungen werden nicht gefunden. Am Beginn meiner Arbeiten habe ein einen Gaschromatographen mit Massenspektrometer verlangt, dies ist das für die erforderlichen Arbeiten sinnvolle Analysegerät, jedoch wurde dies von der BGR nicht umgesetzt. Dennoch sind der Ergebnisse hinreichend, um Gorleben als Atommüll-Endlager sicher auszuschließen.
Ich muß weiter darauf hinweisen, daß die an der BGR durchgeführten Experimente in Goldkapseln methodisch schwach sind und aufgrund fehlender Durchmischung nicht geeignet sind, um kinetische Daten zu ermitteln, die zur Vorhersage chemischer Reaktionen notwendig sind. Man hätte zumindest sogenannte „rocking Autoklaven“ verwenden müssen. Die Ergebnisse gelten daher nur qualitativ. An der BGR werden weiterhin Simulationsarbeiten zur Vorhersage der Reaktionskinetik ohne brauchbare kinetische Daten durchgeführt! Die Reaktionssysteme sind zudem so komplex, daß mir eine Simulation aus fachlicher Sicht aussichtslos erscheint, auch weil die Konzentration der Reaktanden im Salzstock Gorleben als Funktion der Ortskoordinaten so gut wie unbekannt sind.

Ich möchte weiterhin darauf hinweisen, daß ich auf der GeoHannover ein Poster und einen Vortrag von der DBE gesehen bzw. gehört habe, wonach die Asse mit Natronwasserglas stabilisiert werden muß. Verfüllt man ein altes Salzbergwerk nicht, so bricht es irgendwann zusammen. Diese Gefahr besteht vermutlich bei der Asse. Sie sollte daher so schnell wie möglich beräumt werden und nicht erst ab dem Jahr 2030.

Ich möchte weiterhin darauf hinweisen, daß im Salzstock Morsleben Atommüll lagert. Den Zustand von Morsleben kenne ich nicht. Jedoch sind Salzstöcke aus verschiedenen Gründen generell ungeeignete Endlager:

1. Alte Salzbergwerke laufen voll Wasser (saufen ab), wie dies in der Asse der Fall ist, wo täglich ca. 12.000 Liter Wasser hineinlaufen. Salz ist zudem wasserlöslich, besteht ein Wasserkanal, vergrößert er sich sehr wahrscheinlich. Wie z.B. die beiden Schächte von Gorleben sicher abgedichtet werden sollen, so daß kein Wasser eindringt, ist mir vollkommen unklar.

2. Eine Rückholbarkeit ist in Salzstöcken aufgrund der Konvergenz des Salzes nahezu unmöglich. Darunter versteht man die Fließfähigkeit von Salz, so verkleinert sich z.B. ein Gang im Salzstock Gorleben um ca. 2 cm pro Jahr. Nach einigen hundert Jahren gibt es keine Gänge mehr, um den Atommüll zu erreichen. Er liegt dicht umschlossen und ohne Behälter im Salz, da die Behälter nach den bisherigen Planungen nur ca. 500 Jahre halten. Es ist zu bedenken, daß der Atommüll stark wärmeentwickelnd ist und daher auch die Korrosion (v.a. in einem salzig-wäßrigen Umfeld) stark beschleunigt wird.

Rückholbarkeit ist wichtig, da es z.B. die Transmutation gibt, hierfür wird in Belgien ein Forschungsreaktor (Myrrha) aufgebaut. Dabei werden radioaktive Nuklide mit langen Halbwertszeiten in solche mit kürzeren Halbwertszeiten umgewandelt. Die notwendige Einlagerungsdauer würde dadurch von ca. einer Million Jahre auf ca. einige tausend Jahre verkürzt. Grundsätzlich muß man sich fragen, ob eine Vorhersage über die Stabilität eines Salzstockes über eine Million Jahre möglich ist, immerhin sollen nach Modellen zwei Eiszeiten in diesem Zeitraum über Europa hinweggehen.

Ich bin der Ansicht, daß ich dies hier veröffentlich muß, um schweren Schaden von der Öffentlichkeit abzuwenden.

Quelle: Frag den Staat

Das Beispiel des BfS

Auf endlagerdialog.de gehen sozialwissenschaftliche Experimente beim BfS im Zeitraum von 2001 bis 2011 zurück, die bereits im Beitrag ..Diese bisher wenig erforschten Allianzen…unter dem Absatz Experiment zur Beugung von knowledge waves in der social space-time geschildert wurden.

Eine Wiederholung dieses experimentellen Ansatzes Anfang 2013 – also zwei Jahre nach Abschluss des Langzeitexperiments – zeigte unvermittelt, dass das BfS bezüglich interner Kritikfähigkeit nichts dazugelernt hatte. Siehe Schreiben des BfS vom 27.02.2013.

 Das Beispiel der DBE

Der Test der DBE fand am 10.03.2011 statt. Seitens endlagerdialog.de wurde in einem Gespräch mit der Geschäftsführung – Herrn Raapke und Herrn Schramm – dargelegt, dass die Einstandort-Endlagersuche gegen Strahlenschutzgrundsätze und insbesondere das Atomgesetz verstößt, da die weichen Faktoren Geologie und Strahlenschutz nach Wissenschaftsforschung nicht geeignet seien, die Eignung oder Nichteignung an einem Standort eindeutig zu zeigen.

Die Ablehnung wurde intern mit der kolportierten Anmerkung begründet, endlagerdialog.de könne man nicht steuern.

 Das Beispiel ENTRIA

ENTRIA stand Ende 2012/Anfang 2013 auf dem Prüfstand. Im Beitrag Bundesumweltministerium hat kein Interesse an Teilnahme der Umweltverbände wurde das Ergebnis bereits im Absatz ENTRIA auf den Prüfstand mitgeteilt. Die Ablehnungsbescheide vom 11.02.2013 und 22.02.2013 wurden intern damit begründet, dass man Kritiker nicht einstellen könne.

Fazit

Die bisher mit Endlagerfragen befassten Institutionen BGR, BfS, DBE und ENTRIA würden die von der AG 3 in die Diskussion eingebrachten Kriterien für Institutionen nicht erfüllen. Sie wären also alle ungeeignet, eine Rolle bei der Endlagersuche zu übernehmen. Leider hilft aus dieser misslichen Lage weder die Umorganisation der bestehenden Institutionen noch die Neuschaffung solcher schnell heraus, denn die in diesen alten Organisationen bereits sozialisierten MitarbeiterInnen sind nur im Ausnahmefall für eine neue im Sinne der AG 3 – Kriterien geartete Arbeitsweise geeignet.

Dazu braucht es eine neue Generation insbesondere von WissenschaftlerInnen, die im Sinne einer pluralistischen scientific community arbeiten. Siehe auch Google Search scientific community site:endlagerdialog.de.

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