Endlagerkommission veröffentlicht Papier der DAEF

DAEFDAEF will sich ins Gespräch bringen

Ein Papier der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Endlagerforschung DAEF – siehe auch Beitrag Endlagersuche als wicked problem – wurde von der Endlagerkommission als Drucksache veröffentlicht. Die DAEF ist ein Zusammenschluss von Endlagerforschungsinstitutionen, die bisher lediglich mit ihrer Gründung im Jahr 2013 und einer Tagung im Jahr 2014 öffentlich aufgetreten ist.
Das Papier ist in seiner Funktion ähnlich zu sehen wie das sogenannte Memorandum von ENTRIA – siehe Beitrag ENTRIA wünscht sich… . Offensichtlich wollen sich die Endlagerforschungsinstitutionen ins Gespräch bringen. Denn ein beauftragtes Gutachten ist das jetzt vorgelegte Papier nicht. Dazu bietet es auch zu wenig Tiefe.

Dissense und Konflikte transparent machen

Eine wichtige Stelle ist auf Seite 15 zu finden:

Expertendissens und Expertenkonflikte sind während der Standortauswahl und in späteren Phasen nicht nur nicht auszuschließen, sondern vielmehr mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu erwarten. Daher wäre es von Vorteil, wenn diese Uneinigkeiten transparent gemacht werden und unter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit (z. B. auf nationalen Workshops oder Hearings) behandelt werden. Formen der Aufarbeitung von Expertendissens werden in bisherigen Standortauswahlverfahren weder gefordert noch ausreichend berücksichtigt. Prozesse der »Schließung« solcher Debatten und Konflikte besitzen für das Gesamtverfahren ebenso ein hohes Maß an Bedeutung wie auch die Dokumentation der Ergebnisse und des Vorgehens, mit dem es zu diesen kam.

Bis heute werden solche Kontroversen im Endlagerbereich nicht ausgetragen, sondern es gibt eine zuständige Behörde, und diese vertritt nach außen eine eindeutige Position – auch als Sprachregelung bezeichnet. Diese Position unterliegt der Zensur der Aufsichtsbehörde. Wie stark der fachliche und der parteipolitische Anteil an dieser Position ist, kann nicht festgestellt werden.

Die Deutlichkeit der Formulierungen lässt oft zu wünschen übrig

Einige Feststellungen sind durchaus zu unterstützen, sollten aber noch deutlicher formuliert werden. So findet sich auf Seite 6 folgende Passage:

Nach Auffassung der DAEF werden im Rahmen eines Standortauswahlverfahrens Abwägungen durchzuführen sowie Werteentscheidungen zu treffen sein, da ein auf »objektivierter« wissenschaftlicher Bewertung basierendes Auswahlverfahren an Grenzen stoßen wird.

Da hätte folgende Formulierung die Tatsache klarer dargestellt:

.., da ein allein auf »objektivierter« wissenschaftlicher Bewertung basierendes Auswahlverfahren an Grenzen stoßen wird. Dies ist aber bei Umweltplanverfahren in der Regel der Fall.

Vortäuschen eines Sicherheitsgefühls durch Weglassung

Zudem wird durch Weglassen von wichtigen Informationen ein Sicherheitsgefühl vorgetäuscht.  Auf Seite 10 ist zu lesen:

Der ewG soll über den in den Sicherheitsanforderungen festgelegten Nachweiszeitraum von 1 Million Jahre hinweg seine sicherheitsrelevanten Eigenschaften erhalten. Mit dem Konzept des ewG wird der Schwerpunkt auf den Einschluss der Radionuklide durch geologische und geotechnische Barrieren in einigen 100 Metern gelegt. Der festgelegte Nachweiszeitraum basiert auf Überlegungen des AkEnd im Hinblick auf die Prognostizierbarkeit der Entwicklung geologischer Systeme.

Hier hätte folgender Zusatz mehr Klarheit geschaffen:

….Der festgelegte Nachweiszeitraum basiert auf Überlegungen des AkEnd im Hinblick auf die Prognostizierbarkeit der Entwicklung geologischer Systeme. Er berücksichtigt nicht die wesentlich längeren Zerfallszeiten einiger Radionuklide, die selbst nach diesem langen Zeitraum zu einer Belastung führen können.

Da war die Endlagersicherheitsphilosophie des BfS ehrlicher. Darin ist auf Seite 23 zu finden:

Die radioaktiven Abfälle enthalten aber Isotope, die Halbwertszeiten von deutlich länger als eine Million Jahre aufweisen (z. B. radiotoxisches Np-237 mit einer Halbwertszeit von 2,1 Millionen Jahre). Daher muss der Endlagerstandort so gewählt werden, dass keine Hinweise für eine abrupte Veränderung des Isolationsvermögens für die Zeitspanne nach einer Million Jahre ableitbar sind.

Es fehlt wissenschaftliche Tiefe

In wissenschaftlicher Hinsicht kann man von Institutionen der Endlagerforschung durchaus mehr erwarten. So wird auf Seite 18 lapidar festgestellt:

 Die Einengung auf Standortregionen und potenzielle Standorte im Rahmen des Auswahlprozesses erfordert daher eine multikriterielle Abwägung.

Hier vermisst man eine kurze Expertise, was zur Theorie multikriteriellen Entscheidungen in den letzten Jahren entwickelt worden ist. Erwähnt seien die Begriffe vektorielle und skalare Methode.

Weiterhin fehlt jede Einlassung auf die wissenschaftlich und ethisch anspruchsvollen Grundsätze des Strahlenschutzes und deren Konsequenzen für die Endlagersuche.

Bleibt meist beim Stand des AkEnd stehen

Meist bleibt die Erörterung auf dem Stand des AkEnd stehen. So ist auf Seite 20 kommentarlos zu finden:

Tiefenlage Bergwerk
»Das Endlagerbergwerk darf nicht tiefer als 1500 m liegen.«

Unerwähnt bleibt, dass es durchaus tiefere Bergwerke gibt. Es wird keine Abwägung getroffen zwischen

  • der höheren Temperaturbelastung und damit entsprechend aufwendigeren Einlagerungstechniken in tieferen Bergwerken und
  • von in Deutschland eventuell in größeren Tiefen auffindbaren geologisch positiven Gesamtsituationen.

Bis zum reinen Geschwafel und mangelhaftem Literaturmanagement

Als reines Geschwafel kann die Passage auf Seite 26 abgetan werden:

Ein Standortauswahlverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit ist zu entwickeln, wobei es für einen hochwertigen »integrierenden Prozess«, der von allen Beteiligten allgemein als fair empfunden wird, bislang wenig Beispiele gibt. Von zentraler Bedeutung ist dabei die klare Definition von Beteiligungsspielräumen für die jeweiligen Akteure von Beginn an.

Welche sind die wenigen Beispiele hochwertig integrierender Prozesse? Warum werde diese nicht aufgezählt und analysiert?

Ein bisschen mehr Sorgfalt wäre auch bei der angegebenen Literatur angebracht. Zu /SME 14/ auf Seite 13 gibt es leider keine Angabe in der Literaturliste.

Größtes Defizit – politische Vorgabe Gorleben nicht behandelt

Das größte Defizit ist aber darin zu sehen, dass die strikte politische Vorgabe im StandAG, dass der Standort Gorleben einzubeziehen ist, nicht behandelt wird. Welche Konsequenz hat solch eine Vorgabe für die komparative Auswahlmethode in einem multidimensionalen Kriterienraum? Ist diese Vorgabe überhaupt mit einer wissenschaftlich basierten Suchmethode vereinbar?

Sinnvoll wäre eine bessere Verständlichkeit

Wünschenswert wäre eine allgemeinverständliche Aufarbeitung der Problematik, wozu eine sprachlich einfachere Darstellung durch ein Glossar ergänzt werden müsste. Die Literatur hätte aufgearbeitet werden müssen durch verständliche Kurzfassungen und der Möglichkeit, direkt darauf zugreifen zu können.

Der Schlusssatz ist reiner Euphemismus

Leider wird im Schlusssatz eine dauerhafte Sicherheit proklamiert, die wegen großer Unsicherheiten und Unwissen bei der Endlagerung nicht angebracht ist. Das Schlussstatement

Die DAEF ist der festen Überzeugung, dass die Aufgabe, eine sichere, dauerhafte Entsorgung Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle durch ihre Endlagerung in tiefen geologischen Formationen in Deutschland zu realisieren, lösbar ist.

sollte eher lauten:

Die DAEF ist der Überzeugung, dass die Aufgabe, eine risikoarme langzeitliche Lagerung Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle durch ihre Verbringung in tiefen geologischen Formationen in Deutschland zu realisieren, lösbar ist.  Es ist aber die Aufgabe der Gesellschaft und nicht der Wissenschaft zu entscheiden, ob die nur mit Unsicherheiten abschätzbaren Risiken zu verantworten sind. Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund des prinzipiell auftretenden Unwissens bei Prognosen über mehrere Millionen Jahre  zu sehen.

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