Geologische Kriterien: Der Endspurt beginnt

K-Drs_157
Gesamtpapier zu den geologischen Kriterien

In der letzten AG3-Sitzung am 17.12.2015 wurden die geologischen Kriterien im Zusammenhang erörtert. Ziel war es, am 18.01.2016 eine Gesamtfassung zu präsentieren, die als Basis für eine öffentlich-fachliche Diskussion dienen kann. Leider stehen die Audiomitschnitte dieser wichtigen Sitzung immer noch nicht zur Verfügung, wohl aber ein Gesamtpapier nach Beschlusslage dieser AG3-Sitzung (K-Drs. 157).

Erstellt durch unbekannte Dritte, Stand 19. oder 29.12.2015

Erstellt wurde dies nach Ankündigungen in der Sitzung durch unbekannte Dritte. Der deklarierte Stand des Papiers ist der 19.12.2015, in der Drucksache selbst wird der Stand mit 29.12.2015 angegeben. Letzteres ist wohl richtig, wenn man die zugrunde gelegten Unterlagen betrachtet. Ein wenig mehr Sorgfalt bei der Administration des Internetauftritts wäre wohl angebracht.

Gesellschaftlichen Kriterien? Kriterien für Fehlerkorrekturen? Methodik für die  Sicherheitsuntersuchungen?

Lobenswert ist, dass nun endlich ein Gesamtpapier wenigstens zu den geologischen Kriterien vorliegt. Es fehlen noch die gesellschaftlichen Kriterien, die in der Arbeit der AG3 bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Hier wartet man noch auf einen wesentlichen Input von Herrn Pegel. Weiterhin ist es Aufgabe der AG3, Kriterien für Fehlerkorrekturen zu entwickeln. Darüberhinaus fordert das StandAG in § 4 Abs. 2 Ziffer 2, eine Methodik für die durchzuführenden vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen zu entwickeln. Wer sollte dies tun, wenn nicht die AG3?

Begriff einschlusswirksamer Gebirgsbereich

Ganz am Anfang stehen drei Begriffsbestimmungen. Leider fehlt die Definition des Begriffs einschlusswirksamer Gebirgsbereich. Dieses Modell ist die wesentliche Grundlage aller weiteren Ausführungen. Das Modell wird vom AkEnd unreflektiert übernommen und nicht möglichen Alternativen gegenübergestellt. Weder wird der Ansatz des ESK-Diskussionspapiers einschlusswirksamer Bereich noch die Erweiterung des Einkompartimentmodells einschlusswirksamer Gebirgsbereich zu Multikompartimentmodellen erwogen.

Maximale Tiefe des Einlagerungsbereichs

Schon bei der Sitzung hat die Entscheidung, die maximale Tiefe des Einlagerungsbereichs nicht als Mindestkriterium festzulegen, auf der Besuchertribüne zu heftigem Kopfschütteln geführt. Dieses findet sich jetzt folgerichtig auf Seite 16 wieder. Bei der praktischen Durchführung der Standortsuche kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten führen, da der Vorhabenträger entscheiden muss, bis zu welcher Tiefe er Abschätzungen zur geologischen Formation machen oder sogar Untersuchungen in die Wege leiten muss. Gerade im Zusammenhang mit Kristallingestein kann das eine wesentliche Rolle spielen.

Maximal zu erwartende Tiefe solcher Rinnen

Ähnliches kann sich bei der noch nicht endgültig abgestimmten Formulierung zum Mindestkriterium Minimale Tiefe des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs abspielen. Dort ist zu lesen:

In Gebieten, in denen im Nachweiszeitraum mit der Bildung eiszeitlicher Rinnen zu rechnen ist, muss die Oberfläche des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches unter der maximal zu erwartenden Tiefe solcher Rinnen liegen.

Da der Bildungsprozess der eiszeitlichen Rinnen sehr kontrovers diskutiert wird und Modellrechnungen zu den unterschiedlichen Thesen noch nicht vorliegen, muss hier der Vorhabenträger ein ganzes Forschungsprojekt auflegen. Zu solchen Rechnungen hat es in der Arbeit von Keller nicht gereicht, und auch im VSG-Arbeitspaket 7: Dokumentation sind nur wage Vorstellungen entwickelt worden.

Offene Fragen

Hier steht aber wenigstens das aufgeschrieben, was endlich in Angriff genommen werden muss:

24.11 Offene Fragen
Verbesserung des Verständnisses zur Rinnengenese, Abschätzung möglicher Erosionstiefen und Tiefenwirkung der Eisauflast, bzw. Mächtigkeitsminderung des Deckgebirges.

Es muss hier also die Bühne der beschreibenden Geologie verlassen und die Stufe einer naturwissenschaftlich arbeitenden Geowissenschaft erklommen werden. Es sind vergleichende Modellrechnungen zumindest zu den angegebenen sieben Entstehungspostulaten durchzuführen.

  1. Entstehung durch fluviale Prozesse
  2. Tektonische Ursachen
  3. Subrosions- und halokinetisch bedingte Entstehung
  4. Entstehung durch Gletscherschurf (Exaration)
  5. Entstehung durch Sedimentverflüssigung („Liquefaction“, „Piping“)
  6. Entstehung durch Unterkühlung („Supercooling“)
  7. Entstehung durch subglaziale Schmelzwässer (Sporadische, plötzliche subglaziale Flutereignisse von im Eis aufgestauten Schmelzwässern).

Löslichkeit im vorbeiströmenden Gletschersüßwasser

Dabei spielt bei Salz – im Gegensatz zu Ton und Kristallin – die Löslichkeit in dem in großen Mengen vorbeiströmenden Gletschersüßwasser eine wesentliche Rolle. Solche Rechnungen wurden schon im Beitrag Die nächsten Eiszeiten über dem Salzstock Gorleben angeregt:

Leider wird nicht näher ausgeführt, ob für diese Meinung auch wissenschaftlich Fundiertes erarbeitet wurde. Interessant wäre die Konstruktion und Durchrechnung eines hydrodynamischen Modells, in das die Parameter Salzhärte, Salzlöslichkeit, Temperaturkoeffizient der Löslichkeit und so weiter eingehen und in dem die maximale Einschnitttiefe hergeleitet wird.

Erste Modellvorstellungen von 1979 wohl nicht weiterentwickelt

Ein Hinweis auf dahin gehende Modellvorstellungen gibt es nach der BGR-Salzstudie bei EISSMANN, L. & MÜLLER, A. (1979): Leitlinien der Quartärentwicklung im Norddeutschen Tiefland. Z. F. geol. Wiss. 4, 3 Abb.; Berlin

Nach EISSMANN & MÜLLER (1979) ist bei einer angenommenen Eismächtigkeit von 2000-3000 m mit Destruktionszonen bis max. 700 m zu rechnen. Die mächtigsten Rinnenprofile Ostdeutschlands wurden in SW-Mecklenburg in der Bohrung SW M 4/65 Hagenow mit 427 m (ca. 400 m u. NN) und in Brandenburg in der Bohrung Karstädt N 8/58 mit 532 m (465 m u. NN) angetroffen.

In Fachzeitschrift nicht zu veröffentlichen

In dem Gesamtpapier gibt es viele Stellen, zu denen viele Frage gestellt werden können. Aufgrund der vielen unbegründeten Setzungen und fehlenden Hinweisen auf die wissenschaftliche Literatur könnte das Papier bei keiner Fachzeitschrift auf Veröffentlichung hoffen. Doch an das Papier sind noch weitergehende Anforderungen zu stellen, bevor es in der Öffentlichkeit gegenüber einer Standortsuche wenigstens zu einer toleranten Einstellung führen könnte. Es wird wohl notwendig werden, eine allgemeinverständliche Kurzfassung zu erstellen, wie es zu jedem Planfeststellungs- oder Genehmigungsantrag gesetzlich vorgeschrieben ist, aber in den seltensten Fällen erfüllt wird.

Redundanz und Diversität

Überaus erstaunlich ist, dass bei einem Vorhaben, wo einem sogenannten Nachweiszeitraum von 1 Mio. Jahre Genüge getan werden soll, das Versagen der heutigen Vorstellungen keine Rolle spielt. Ansonsten müssten die von Herrn Röhlig auf der Anhörung am 19.11.2015 erwähnten what-if-Szenarien mit zum Betrachtungshorizont gehören. Was ist, wenn die Vorstellungen von Salz oder Ton bezüglich Dichtwirkung nicht zutreffen? Was ist, wenn sich aus einer Arbeit wie der von Ghanbarzadeh wirklich eine ganz andere Sichtweise für Ton oder Salz ergibt? Sind nicht Redundanz und Diversität wichtige Elemente in einem solchen Fall, wo Nichtwissen und Unsicherheiten große Rollen spielen? Siehe auch Begründung zum StandAG Seite 21 und 2. Entwurf BfS-Sicherheitsphilosophie Seite 52f.

Möglichst robustes Endlager?

Ein robustes Endlagerkonzept kann wohl vor diesem Hintergrund kaum auf einer einzigen geologischen Barriere beruhen. Zu einem Standort, der ein möglichst robustes Endlagerkonzept erlaubt, kommt man nicht mit den Modellvorstellungen eines Einkompartimentmodells, indem noch hilfsweise unter Umständen Anforderungen an ein Deckgebirge gestellt werden. Es wird ein Modell benötigt, bei dem mehrere unabhängig voneinander wirkende geologische Barrieren eindeutig zur besseren Einstufung führen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert