Sicherheitsanforderungen auch bei der Standortsuche?
Bei der kommenden Sitzung der Endlagerkommission am 19. November steht eine Anhörung zu den Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle – Stand 30. September 2010 auf der Tagesordnung. Diese Anforderungen sind anzulegen bei der Genehmigung eines Endlagers. Es ist also erst einmal erstaunlich, dass die Endlagerkommission, die allein Regelungen für die Standortsuche erarbeiten soll, dieses Thema aufgreift. Aber § 4 Abs. 2 Punkt 2 StandAG ist wohl dahingehend zu interpretieren, dass dies eine der gesetzlichen Aufgaben der Kommission ist:
(2) Die Kommission soll Vorschläge erarbeiten
……
2. für die Entscheidungsgrundlagen (allgemeine Sicherheitsanforderungen an die Lagerung, geowissenschaftliche, wasserwirtschaftliche und raumplanerische Ausschlusskriterien…..
Sicherlich ist es auch schon bei der Standortsuche hilfreich, über die schließlichen Genehmigungsanforderungen Klarheit zu haben. Unbedingt notwendig ist dies wohl aber nicht, wenn sowieso der bestmögliche und nicht nur ein sogenannter geeigneter Standort gesucht wird.
Genese der Sicherheitsanforderung und Einvernehmen der Bundesländer
Die Genese der Sicherheitsanforderungen kann recht gut nachverfolgt werden – siehe BMUB – Website. Entgegen der in der AG 3 vertretenen Meinung ist die Fassung von 2010 mit den Ländern einvernehmlich beraten worden, siehe Beitrag Sicherheitsanforderungen: Da irrt die AG3 gewaltig. Leider ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Änderungen zwischen der Version von 2009 und der von 2010 angebracht wurden. Geht das auf die Bundesländer zurück?
Politisches Täuschungsmanöver bei ERAM durch ESK abgefangen
Die Sicherheitsanforderungen wurden ohne fachlichen Grund auf wärmeentwickelnde Abfälle beschränkt – siehe auch INTERNET-Diskussion zu den Sicherheitsanforderungen vom 01.12.2008 bis 28.02.2009. Diesem politischen Täuschungsmanöver ist die ESK bei der Stellungnahme zum Stilllegungsverfahren des ERAM nicht gefolgt. Dies hatte erhebliche Wirkung – siehe Beitrag Der sogenannte “Langzeitsicherheitsnachweis” zum ERAM ist – vorerst? – gescheitert. Jedoch hat die ESK-Stellungnahme wiederum nicht berücksichtigt, dass gut die Hälfte des Radioaktivitätsinventars im ERAM noch nicht endgelagert ist – Stichwort zwischengelagerte Abfälle – und ein beträchtlicher Teil durch die Betriebsgenehmigung nicht gedeckt ist – Stichwort Ostfeld.
Über Beteiligung wird endlos geredet – praktiziert wird nichts
Zu der Anhörung sind bereits die schriftlichen Stellungnahmen von Herrn Kirchner und Frau Eckhardt im Internet verfügbar. Darin wird sich bezogen auf Fragen 3, 5, 7, 8, 10, 11, 13 und 14. Leider ist der Fragenkatalog nicht öffentlich verfügbar. Insofern ist es auch für die Öffentlichkeit nicht möglich, sich an der Fragestellung zu beteiligen und eventuell wichtige Fragen zu ergänzen. Beteiligung ist nicht gefragt, aber wohl das nicht endende Gerede über Beteiligung.
Die Leitlinien zur Konkretisierung
Frau Eckhardt weist zu Recht daraufhin, dass erst durch die angekündigten Leitlinien eine Konkretisierung stattfindet. Gibt es denn Fragen zum Bearbeitungsstand dieser Leitlinien? Eine wesentliche Leitlinie wird nach Aussage des BMUB seit 2012 von der Strahlenschutzkommission erarbeitet. Alle Versuche von endlagerdialog.de, Informationen darüber zu erhalten, scheiterten – siehe Beitrag Dosisberechnung bei der Langzeitlagerung – seit Ankündigung Anfang 2009 nichts Neues. Die letzte Begründung für das Schweigen lautete lapidar Büroversehen.
Sicherheitsanforderungen bis Endlagerverschluss Stand von Wissenschaft und Technik
Herr Kirchner betont, dass bei der bisher üblichen Anpassung der Strahlenschutzverordnung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse auch die Sicherheitsanforderungen bis zum Verschluss des Endlagers dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen werden. Dies ist wenig plausibel, da die hier entscheidende Frage der Dosisbegrenzung laut Sicherheitsanforderungen eben nicht geregelt ist. So lautet es unter Punkt 6:
Die Strahlenschutzverordnung enthält keine Kriterien, mit denen der Schutz zukünftiger Generationen und der Umwelt vor ionisierender Strahlung zu bewerten ist.
Die Aussage von Herrn Kirchner trifft eher auf die Regelungen in der Vorversion zu, in der keine Dosiswerte angegeben werden, sondern allein die Gesundheitsrisiken mit 10-4 bzw. 10-3 vorgegeben sind. Wie gesagt: Weshalb diese Änderungen durchgeführt wurden, ist nicht öffentlich dokumentiert.
Falsches Berechnungsverfahren für den Indikator Dosis
Mit Recht weißt Herr Kirchner darauf hin, dass das bisher angewendete Berechnungsverfahren für den Indikator Dosis vollkommen unzureichend ist – siehe auch Beitrag Eignet sich die AVV zu Risikoabschätzungen bei der Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle? Wie oben gesagt: Das wurde vom BMU 2009 endlich öffentlich eingeräumt und ein Beratungsauftrag zur Erstellung einer solchen Leitlinie 2012 an die Strahlenschutzkommission gegeben.
ERAM-Gutachter wartet auf diese Leitlinie
In dem ERAM-Papier Gruppierung und Kommentierung der zusammenfassenden Aussagen aus Einwendungen und Stellungnahmen sowie aus dem Erörterungstermin zum Plan Stilllegung * kommt der MLU-Gutachter nach Ausführungen zu dieser Problematik auf Seite A3/209 bis 213 zu dem Schluss:
Wir gehen davon aus, dass es zum Zeitpunkt der Planfeststellung für die Stilllegung des ERAM eine verbindliche Vorschrift zur Durchführung der Dosisabschätzung geben wird, die von der heutigen AVV abweichen wird.
Klimaabhängigkeit des Indikators Dosis
Weiterhin bemängelt Herr Kirchner die Nichtberücksichtigung der Klimata bei der Indikatorberechnung. Dies ist mit ein Grund, weshalb der Antrag auf Stilllegung des ERAM nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Denn die Veränderung der Lebens- und Verzehrgewohnheiten bei unterschiedlichen Klimabedingungen wurde im Planfeststellungsantrag nicht berücksichtigt. Obwohl bereits 2003 dazu eine deutschsprachige Studie mit dem Titel Beitrag zur Erstellung einer Referenzbiosphäre zur Berechnung der in der Nachbetriebsphase eines Endlagers für radioaktive Stoffe hervorgerufenen potentiellen Strahlenexposition unter Berücksichtigung des Einflusses des Klimas vorlag, fand diese keine Berücksichtigung – siehe auch Beitrag Von der Radioaktivität im Grundwasser zur Strahlenbelastung des Menschen.
Im Planfeststellungsantrag zum ERAM nicht berücksichtigt – Warum?
Warum hat sich Herr Kirchner, als er am BfS tätig war und der Planfeststellungsantrag 2009 erarbeitet wurde, nicht durchgesetzt? War er nicht beteiligt worden, hat er damals der Problematik keine Aufmerksamkeit geschenkt oder wurden seine Bedenken vom Tisch gewischt? Hat er dagegen Maßnahmen ergriffen, hat er remonstriert?
Der Optimierungsmaßstab bei der Suche nach dem bestmöglichen Standort?
Für die Suche nach dem bestmöglichen Endlagerstandort stellt sich nun die Frage, nach welcher Größe optimiert wird. Vorgesehen sind vergleichende Sicherheitsanalysen, aber welcher Indikator oder welche Indikatoren werden zur Beurteilung und zur Auswahl des bestmöglichen Standorts herangezogen? Ist es der Indikator Dosis, für den es bisher keine tragfähige Berechnungsmethode gibt? Oder ist es eher der Indikator Schädigung – also das Integral des Dosisindikators über die Zeit? Oder..?
* Das vollständige ERAM-Papier
Gruppierung und Kommentierung der zusammenfassenden Aussagen aus Einwendungen und Stellungnahmen sowie aus dem Erörterungstermin zum Plan Stilllegung
kann zur privaten Nutzung von endlagerdialog.de zur Verfügung gestellt werden.
Leitlinien zu den Sicherheitsanforderungen
Neben der Bitte an die SSK, eine Empfehlung zur Berechnung effektiver Dosen bei Endlagern zu erarbeiten, wurden wohl Beratungsaufträge an die ESK vergeben. Zwar ist unter Beratungsaufträge nichts Einschlägiges zu finden, aber unter Beratungsergebnisse sind zwei entsprechende Leitlinie zu finden:
(1) Leitlinie zum menschlichen Eindringen in ein Endlager für radioaktive Abfälle
(2) Leitlinie zur Einordnung von Entwicklungen in Wahrscheinlichkeitsklassen mit
Abweichendes Votum von Herrn Dr. Appel
Fraglich ist, ob über diese drei Aufträge hinaus Leitlinien zu den Sicherheitsanforderungen irgendwo in Arbeit sind? Vielleicht wird bei der Anhörung in der Endlagerkommission in dieser Frage Transparenz hergestellt??
Es ist also erst einmal erstaunlich, dass die Endlagerkommission, die allein Regelungen für die Standortsuche erarbeiten soll, dieses Thema aufgreift.“ Das finde ich nicht erstaunlich. Sagt uns nicht der ’normale gesunde Menschenverstand‘, dass die zu erwartende zukünftige Strahlenbelastung von Biosphäre und Mensch von den geologischen und sonstigen Verhältnissen bzw. den Entwicklungen am Standort abhängen wird? Folglich muss die zu erwartende Strahlenbelastung bei der Standortauswahl berücksichtigt werden. Man darf aber durchaus gespannt sein, wie diese Strahlenbelastung ermittelt werden soll. Die Diskussion dieses Themas mit den „Experten“ auf der letzten Sitzung war jedenfalls nicht überzeugend. Herr Stefan Wenzel hat richtig angemerkt, dass die vorgeschlagene „subjektive Wahrscheinlichkeit“ letztlich die Methode „Treu und Glaube“ wäre.
Fragenkatalog umfasste 15 Fragen
Nach Ausführungen von Herrn Mönig umfasste der Fragenkatalog 15 Fragen. Leider wurden die Fragen weder vor der Anhörung noch danach veröffentlicht. Vielleicht kann man sie in zwei Monaten im Protokoll nachlesen? Dies ist eine interessante Anwendung des Transparenzgrundsatzes.
Endlich das Geheimnis gelüftet
Nach fast einem Monat sind nun auch die Fragen zur Anhörung veröffentlicht. Der Fragenkatalog ist jetzt Bestandteil der Zusammenfassung der mündlichen Anhörung. Unter Transparenzaspekten kann man die Kommission wohl als gescheitert bezeichnen.