Die Fixierung des Bundesumweltministeriums auf Gorleben ist ein Ausdruck eines primitiven Politikstils. Dieser ist in vielen Politikbereichen vielleicht gerade noch hinnehmbar, in der Frage der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle geht es aber um die Gesundheit der nächsten 100.000 Generationen. Hier alternativlos und damit unwissenschaftlich zu denken und womöglich zu handeln, ist unverantwortlich. Selbst das Atomgesetz schreibt die Anwendung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik vor. Insofern ist alternativlos hier illegal.
Allein für den Standort Gorleben soll eine vorläufige Sicherheitsanalyse und nach weiterer gezielter Erkundung ein Langzeitsicherheitsnachweis erstellt werden, der die Sicherheit eines Endlagers im Salzstock Gorleben beweisen soll oder auch nicht. Diese Vorgehensweise geht zurück auf die Tradition der 1950er und 1960er Jahre. Damals wurde den Wissenschaften – insbesondere den Naturwissenschaften – ein Eindeutigkeitsanspruch zuerkannt, der aus heutiger Sicht in keinster Weise mehr gerechtfertigt ist. Die Erfahrungen der letzten 40 Jahre im Umweltbereich und anderswo haben dies gezeigt.
Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und insbesondere der Wissenschaftsforschung ist das alternativlose Festhalten an Gorleben nicht akzeptabel. Hier geht es um die Prognose des Verhaltens eines hochkomplexen Systems – des Endlagersystems in einem geologisch anspruchsvoll strukturierten Salzstock – mindestens über die nächsten 10 Millionen Jahre. Man begibt sich in Prognosezeiträume, die auch die Vorstellungen der Geologen sprengen. Deshalb wird hier schon einmal – klammheimlich – der notwendige Prognosezeitraum auf einen Betrachtungszeitraum von 1 Million Jahre verkürzt.
In den 1970er Jahren war man bei der Endlagerproblematik schon weiter. Damals im Jahr 1976 entwickelte der Bund nach Protesten in der Bevölkerung an den Standorten Wahn, Lichtenhorst und Lutterloh das Konzept, an allen Standorten gleichzeitig und gleichrangig zu erkunden. Leider kam dieses Konzept nicht mehr zum Zuge. Es wurde durch die Benennung Gorlebens als alleinigen Untersuchungsstandort für das „Nukleare Entsorgungszentrum“ durch das Land Niedersachsen ausgebremst.
Deutschland steht heute – 35 Jahre danach – vor dem Ergebnis des Versagens der verantwortlichen Ministerien – Innenministerium, Forschungsministerium, Umweltministerium, Wirtschaftsministerium – und der zuständigen Fachverwaltungen – Physikalisch Technische Bundesanstalt, später Bundesamt für Strahlenschutz. Diese Institutionen haben sich alle an dem unverantwortlichen Hin- und Hergeschiebe zwischen Politik und Wissenschaft beteiligt, ohne die wirklichen Rollen zu definieren und einzuhalten. Einseitig wird seit 1977 die Gorleben-Entscheidung der damaligen niedersächsischen Landesregierung verfolgt. Ein kurzer Lichtblick war die Arbeit des AkEnd. Das AkEnd-Konzept wurde jedoch nach Ablehnung durch die Kernkraftwerksbetreiber vorschnell wieder aufgegeben.
Dringend notwendig ist es, zur Problematik der Endlagerung radioaktiver Abfälle einen bundesweiten Dialog – einen „Endlager-Dialog“ – zu initiieren. Bei diesem Dialog muss man sich unter konsequenter Einhaltung der Rollen von Wissenschaft und Politik und unter Beteiligung der in Deutschland für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle infrage kommenden Regionen mit diesem brisanten Problem auseinandersetzen.
Es gilt, einen Gegenpol zum bisherige 35jährigen intransparente Hin- und Hergeschiebe der Endlagerfrage zwischen Politik, den hörigen sog. wissenschaftlich-technischen Bundesoberbehörden und den Kernkraftwerksbetreibern zu bilden. Nach Fukushima ist die Situation dafür günstig, da durch die Energiewende wenigstens die Menge an radioaktivem Abfall begrenzt wurde.
Im ersten Ansatz sind am Dialog die Regionen zu beteiligen, in denen nach den einschlägigen wissenschaftlichen Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe für die Endlagerung günstige geologische Formationen liegen. Im Einzelnen:
- Salzstandorte mit geeigneten Salzstöcken und flachen Lagerungen im Mündel-Mergel-Salinar,
- geeignete Tonstandorte,
- geeignete Standorte mit Kristallingestein.
Grundsätzlich sind die zu beteiligenden Regionen eher umfassend zu wählen, um das „Endlagerwissen“ möglichst breit zu verankern. Ein späterer Einstieg einer Region ist möglichst zu vermeiden.
Um eine rationale Entscheidung für Endlagerstandorte zu treffen, reicht es nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht aus, das zur Verfügung stehende und das noch erkundbare Wissen zugrunde zu legen. Darüber hinaus muss sowohl das vermutete als auch das nicht abschätzbare Nichtwissen berücksichtigt werden. Diese Vorgehensweise hat auf anderen Gebieten zu Strategien wie Monitoring, Reversibilität, Vorsorge und so weiter geführt.
Weiterhin stellt sich die Frage, ob Experten das Nichtwissen am besten abschätzen können? Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass dieses nicht so ist. Das Nichtwissen wird eher pluralisiert wahrzunehmen sein. Insofern ist Bürgerbeteiligung nicht nur eine Strategie der Akzeptanzbeschaffung, sondern eine notwendige Voraussetzung, um zu einer rationalen Entscheidung in der Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu kommen.
Berlin, 14.09.2011
endlagerdialog.de
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Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat die Mandatsverlängerung bestätigt -siehe hier.
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