Erarbeitung der Verordnungen mit Beteiligung der Öffentlichkeit gescheitert
Nachdem die Erarbeitung der Verordnungen nach § 26 und § 27 StandAG unter Beteiligung der Öffentlichkeit nicht stattfand und eine Dialogbereitschaft des BMU auf dem Symposium am 14./15.09.2019 nicht zu erkennen war, könnte man ja mal testweise das herkömmliche alte Stellungnahmeverfahren anwenden, das in § 7 StandAG in einer eigenen Variante festgelegt ist.
Planspiel statt Formaljuristerei
Formaljuristisch wurde auf dem Symposium eingangs betont (Video, 22:11)
…Das ist heute kein Termin im Standortauswahlverfahren…
, damit wohl niemand auf die Idee kommen sollte, Transparenz oder womöglich dialogorientierte Elemente einzufordern. Das BMU hat sich nicht immer so formaljuristisch verhalten. Erinnert sei zum Beispiel an das Planspiel im Jahr 1990, wo Verwaltungsvorschriften zum UVP-Gesetz getestet wurden – siehe BT-Drs. 12/584. endlagerdialog.de war damals Mitspieler.
dialog-endlagersicherheit und Forderung der Endlagerkommission
dialog-endlagersicherheit – sprachlich zutreffender dialog-endlagerrisiko – ist damit angetreten, zu den Verordnungsentwürfen des BMU zu den Ermächtigungen nach § 26 und § 27 StandAG einen Dialog mit der interessierten Öffentlichkeit zu führen. Dies sollte wohl offensichtlich die Forderung der Endlagerkommission umsetzen, die Verordnungen unter Beteiligung der Öffentlichkeit zu erarbeiten: (Drucksache 18/9100, S. 398):
Die unter Beteiligung der Länder
und der Öffentlichkeit zu erarbeitende Verordnung muss spätestens mit
Beginn von Schritt 3 der Phase 1 des Standortauswahlverfahrens
vorliegen…
…Entsprechendes gilt für eine Verrechtlichung der Methodik der Sicherheitsuntersuchungen.
Öffentlichkeitsbeteiligung auf den letzten Drücker
Diskussion in der Veranstaltung wenig ausgeführt – Der Inhalt im Überblick
Das Buch geht lediglich auf einer halben Seite auf die Diskussion in dieser Veranstaltung ein. Der wesentliche Teil (siehe Inhaltsverzeichnis) besteht aus Abhandlungen der Vortragenden:
Christian Götter – Emotionen als Argument – Die Debatte um die Kernenergie im Biblis der 1970er Jahre
Barbara Thies, Melanie Misamer und Florian Henk – Protestverhalten aus psychologischer Perspektive
Basil Bornemann – Emotion, Konflikt und Partizipation – Politikwissenschaftliche Perspektiven auf die Rollen von Emotionen im Konflikt um die Endlagerung radioaktiver Abfälle und dessen partizipative Bearbeitung
Ulrich Smeddinck – Recht, Atommüll und Emotionen – Eine Annäherung an verschiedene Facetten des Konfliktfeldes
Ergänzt wurden in diesem Buch zwei weitere Beiträge, um das Bild abzurunden:
Anne Reichold – Empörung im Kontext von Debatten um ein Endlager für Atommüll – Eine philosophische Analyse
Nicole Terne – Mythos der nuklearen Sicherheit am Beispiel Japans
Emotionen beim Biblis-Konflikt
Christian Götter kommt aufgrund seiner Studien zu Biblis zu dem Schluss, dass nicht die von Kernkraftanlagen Betroffenen Angst und damit Emotionen zeigen, sondern es sind die Betreiber dieser Anlagen, die sich über die Emotionen der Bevölkerung beklagen, die eine rationale Auseinandersetzung behindern würden. Offensichtlich wurde das Instrument eingesetzt, um die protestierenden BürgerInnen zu diskreditieren. Die Haltung der Kernenergiegegner war eher geprägt von Vertrauensverlust zum Beispiel in sogenannte wissenschaftliche Prognosen. Besonders besorgniserregend war dabei, dass von politischer Seite auf kritische Fragen oft nur mit „faulen Entschuldigungen und Ausflüchten“ reagiert wurde. Götter rückt das Vertrauen in den Mittelpunkt. Das Vertrauen – nach Niklas Luhmann ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität -, der Akteuren hilft, Entscheidungen über komplexe Fragen zu treffen, indem sie dem Urteil von akzeptierten Fachleuten folgen.
Immer wieder wird von der Seite gewisser Interessensträger vor der Änderung des Standortauswahlgesetzes gewarnt. Aber genau diese Interessensträger haben die Initiative ergriffen, das StandAG und das Atomgesetz zu novellieren – siehe Bundestagsdrucksache 19/13439, hier und hier.
BfE wird BSE
Das BfE soll in BSE ( Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung) umbenannt werden. Die Begründung dazu lautet:
Bei der im Jahr 2020 beginnenden formellen Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren besteht aufgrund der Namensähnlichkeiten die Gefahr einer Verwechslung der beteiligten Behörde mit den auf Seiten des Bundes mit der Entsorgung betrauten Unternehmen, was die Transparenz und Funktionsfähigkeit und damit die Glaubwürdigkeit von Prozessen der Öffentlichkeitsbeteiligung beeinträchtigen könnte. Ziel ist eine klare und bereits durch die Namen der beteiligten Behörde und Bundesunternehmen erkennbare Rollenzuschreibung.
Euphemismen gefährden die Glaubwürdigkeit wesentlich stärker
Die dritte Veranstaltung in der Reihe Forum Zwischenlagerung war ursprünglich für den 18.05.2019 vorgesehen. Thema sollte die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Zwischenlagergenehmigungsverfahren sein. Der Termin wurde auf den 21.09.2019 verschoben und das Thema verändert: Forschung zur Sicherheit von gelagerten Brennelementen.
Erste Veranstaltung
Die erste Veranstaltung am 25.06.2018 – einem Montag – war schon recht enttäuschend – siehe hier. Insbesondere wurden von BfE und BGZ im Wesentlichen die Dinge vorgetragen, die schon in den Hochglanzbroschüren nachgelesen werden konnten. Auf die konkreten sechs Papiere, die vor der Veranstaltung von diversen Akteuren zum Problem Zwischenlager erarbeitet wurden, wurden weder vom Zwischenlagerbetreiber noch von der Genehmigungsbehörde behandelt. Die Überwachungsbehörden kamen nicht zu Wort.
Zweite Veranstaltung
Die zweite Veranstaltung am 24.11.2018 war ein Desaster aus Nichtinformation, Falschdarstellung und Fehlankündigung. Danach sollte sich nämlich die dritte Veranstaltung im Mai 2019 ausführlich mit Transparenz und Beteiligung befassen.
Kolonien von Schwefelbakterien (weiß) in anoxischer Umgebung im Auftriebsgebiet vor Peru, Wassertiefe 60 m, Bildbreite etwa 1,5 m (Foto: BGR)
Der Begriff Biosphäre in Gesetzen und Verordnungen
Im Zusammenhang mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle findet sich in Gesetzen, Verordnungen und den Begründungen dazu immer wieder der Begriff Biosphäre. Danach hat Endlagerung das Ziel, die radioaktiven Nuklide von der Biosphäre zu isolieren.
Die Tiefe Biosphäre
Aus wissenschaftsbasierter Sicht ist das nicht richtig, denn die Biosphäre endet nicht an der Erdoberfläche und auch nicht in geringer Tiefe. In der neusten Ausgabe der Zeitschrift GMIT (Heft 77, Seite 5, in ca. 6 Monaten hier öffentlich einsehbar) ist zu lesen:
..Komplette Schiffsexpeditionen des Ocean Drilling Programme, die u. a. darauf zielten die Grenzen des Lebens in der „Tiefen Biosphäre“ zu erkunden, waren diesen Organismen gewidmet. In den Bohrungen sind bakterielle Umsätze bis in zwei Kilometer Tiefe unter dem Meeresboden und bis zu Temperaturen von über 100 Grad Celsius nachgewiesen worden…
Die Abteilung FA Aufgabenbezogene Forschung, berg‐, wasser‐ und atomrechtliche Verfahren wird seit einigen Monaten von einer Person geleitet, die lediglich mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt (m.d.W.d.G.b.) ist.
Räumung der Stelle: Arbeitsgericht und Informationszugang
Hintergrund ist die Räumung der Leitungsstelle im Jahr 2018. endlagerdialog.de berichtete über die beiden Arbeitsgerichtstermine am 08.10.2018 und 06.03.2019. Der Versuch, über das IFG an Informationen zu dem Fall zu gelangen, scheiterte mehr oder weniger. Das BMU hat insbesondere durch eine trickreiche Falle eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung zur Akteneinsicht verhindert. Der Widerspruch wurde abgelehnt, da er allein per Email eingereicht wurde. Bis dahin war dies nie bemängelt worden. Außerdem wurde eine offensichtlich unvollständige Liste geliefert – siehe auch Beitrag ¿Vertrauen?
Am 12.09.2019 fand eine Sitzung des Atomausschusses des Landkreistages Lüchow-Dannenberg statt, in der endlagerdialog.de die Gelegenheit hatte, seine fachliche Expertise zu den vom BMU veröffentlichten Verordnungsentwürfen einzubringen.
Bericht der Elbe-Jeetzel-Zeitung
Die Elbe-Jeetzel-Zeitung berichtete darüber in der Ausgabe vom 16.09.2019. Der Artikel mit der Überschrift Zeit gegen Gorleben-Fallstricke versuchte die komplizierte Materie zusammenzufassen, was nicht ganz gelungen ist. Bei den Anteilen der Radionuklide, die den inneren Bereich des Endlagers verlassen dürfen, wurden die Dezimalkommas nicht richtig gesetzt.
Studie GRS-A-3405
Auch in der GRS-Studie zu der gleichen Problematik ist auf Seite 10 ein Dezimalstellenfehler zu finden. Der Unterschied ist aber, dass die Elbe-Jeetzel-Zeitung eine Tageszeitung ist und der Artikel nur einen einzelnen Autor hat. Der GRS-Bericht ist hingegen eine wissenschaftliche Studie mit drei Autoren. Da sollte eine Qualitätssicherung möglich sein.